«Die Pferde wissen schnell, was sie tun müssen»

Simona Specker und Simon Büchel geben im Interview mit «Die Ostschweiz» Einblick, wie aufwendig sich die Vorbereitungen erweisen.

Mit Ihnen, Frau Specker, zählt eine neue künstlerische Leiterin zum OK-Team. Wie lange hat es gedauert, bis man sich zusammen «eingelebt» hat?

Simon Büchel: Simona ist keine Unbekannte und hat in den vergangenen Jahren in verschiedenen Funktionen bereits für die Freilichtbühne Rüthi gewirkt. Sei es als Spielerin, Regisseurin und zuletzt in der Hauptrolle als Anna Göldi beim gleichnamigen Stück anlässlich der Inszenierung
2020.

Simona Specker: Genau, das ging relativ schnell, da ich ja wie gesagt zwar eine neue Funktion habe, aber nicht zum ersten Mal mit dabei bin. Richtig Bilanz ziehen, ob das denn nun alles klappt, wie man es sich wünscht, können wir aber erst, wenn diese Produktion abgeschlossen ist. Noch einiges liegt vor uns.

Bereits seit Juni wird geprobt. Gibt es da anschliessend Anpassungen, die laufend gemacht werden müssen?

Simona Specker: Ja, die gibt es ständig und das ist auch in jedem Probenprozess völlig normal. Auf dem Papier –sprich im Skript oder in meinem Kopf – sehen die Dinge manchmal anders aus, als sie dann tatsächlich umsetzbar sind. Verschiedene Faktoren spielen mit, seien es Licht- oder Platzverhältnisse, Schauspielbesetzungen oder Zeitfaktoren. Manches klingt im Skript wunderbar, kann dann aber dem «Realitätscheck» vielleicht nicht standhalten. Oder man hat während den Proben plötzlich eine ganz andere und im besten Fall viel bessere Idee.

Die Kulissenlandschaft ist sehr aufwendig und beeindruckend. Mehrere Pferde befinden sich beispielsweise darunter. Wie entstehen jeweils solche Zusammenspiele mit den Besitzern?

Simon Büchel: Der Einbezug von Pferden und alten Fuhrwerken gehört zum Markenzeichen der Freilichtspiele Rüthi. Wir haben viele Reiterinnen und Reiter, welche seit Jahrzehnten mitmachen und sich alle drei Jahre auf das Spektakel freuen. Es sind aber immer auch wieder neue, junge Reiterinnen und Reiter mit dabei.

Simona Specker: Gerade dieses Jahr spielen die Berittenen eine ganz besondere und wichtige Rolle bei uns. Ist doch eine der Hauptfiguren ein kopfloser Reiter…

Tiere können sehr unterschiedlich reagieren. Ist man da besonders nervös, weil man eben nicht alles 100prozentig unter Kontrolle haben kann?

Simona Specker: Wir hatten bei den Proben bereits einige Reiterinnen mit ihren Pferden auf dem Platz. So können sich die Tiere an die Situation gewöhnen und ihre Reiter können üben, was wir von der Geschichte her gerne von ihnen hätten. Die Pferde wissen oft erstaunlich schnell, was sie tun müssen und stehen erfahrungsgemäss vor einem Einsatz oft schon vor ihren Reiter:innen parat. Unsere Reiterinnen und Reiter sind sehr versiert und haben ihre Tiere extrem gut im Griff. Schon bei der ersten «Pferde-Probe» war ich fasziniert, mit welcher Präzision beispielsweise der kopflose Reiter mit seinem Pferd bereits nach wenigen Durchläufen durch die Kulissen jagte. Es ist schon etwas Besonderes, wenn man die Möglichkeit hat, so etwas in ein Stück einzubauen.

Ist die Kulissenlandschaft gleichzeitig auch die grösste Herausforderung bei der Umsetzung? Eben, weil sie so aufwendig ist?

Simon Büchel: Die Kulissenlandschaft ist in der Tat jeweils eine grosse Herausforderung für das Bauteam der Freilichtbühne Rüthi. Die Vorbereitungen für die ausgeklügelten Bühnensysteme und auch Spezialeffekte beginnen jeweils bereits sehr früh. Die Umsetzung wird über mehrere Monate angegangen. In den letzten Jahren wurden die Bauten immer aufwendiger. Es sind jetzt keine typischen Kulissenbauten mehr, sondern echte Holzhäuser, in welchen sich die Spielenden auch aufhalten können. Die Liebe zum Detail ist jeweils sehr ausgeprägt. Sei es mit echten Schindeln, Bepflanzungen oder Trockenmauern aus Stein. Das Bau- und Requisiten-Team überlässt nichts dem Zufall und sorgt für ein authentisch inszeniertes Erlebnis. Die Freilichtbühne Rüthi bietet übrigens an jedem Aufführungsabend vor dem eigentlichen Spektakel kostenlose Führungen hinter die Kulissen an.

Simona Specker: Unser Bühnenbild wurde auf ein paar Skizzen entworfen. Mit diesen Skizzen bin ich dann zu unserem Bauchef Bruno Bösch gegangen – und der machte zusammen mit seinem Team das Unmögliche möglich. Es ist für mich als künstlerische Leiterin ein wahnsinniges Gefühl, wenn ich ein Haus, das bis anhin nur auf einer Papierskizze existierte, ein paar Monate später originalgross auf dem Probenplatz stehen habe. Was da alles aufgebaut möglich gemacht wird, erfüllt mich immer wieder mit Erstaunen.

Die Freilichtbühne verbinden viele auch mit Spezialeffekten und natürlich der Live-Musik. Worauf dürfen sich die Zuschauerinnen und Zuschauer in diesem Jahr besonders freuen?

Simona Specker: Eine besondere Rolle werden dieses Jahr – wie der Titel vielleicht schon erahnen lässt – die Reiterinnen und Reiter mit ihren Pferden spielen. Es wird spektakuläre Konfrontationen zwischen dem kopflosen Reiter und der Dorfbevölkerung, oder aber auch ein Reiterturnier geben. Des Weiteren arbeiten wir wieder mit Spezialeffekten, Rauch und Zunder… Besonders gespannt bin ich persönlich aktuell auf die Livemusik. Sie wird momentan eigens für unser Stück komponiert. Ich kann es kaum erwarten, bis ich sie zum ersten Mal in Kombination mit dem Spiel auf der Bühne höre.

Die Freilichtbühne wird bei jedem Wetter aufgeführt. Wie greifen die Wetterverhältnisse jeweils ins Geschehen auf der Bühne ein? Worauf muss geachtet werden?

Simon Büchel: In der Tat spielen wir bei (fast) jedem Wetter. Bei Sturm- oder Unwetterwarnungen müssen aber auch wir reagieren und die Aufführungen allenfalls etwas nach hinten oder auf einen anderen Tag verschieben. Die Spielenden sind jedoch so getrimmt, dass auch bei Starkregen gespielt wird. Hier liegt ein besonderes Augenmerk auf den Mikrofonen. Wir haben in eine neue Technik investiert, sodass Nässe eine untergeordnete Rolle spielt und das Erlebnis für den Gast nicht beeinträchtigt.

Simona Specker: Unsere Zuschauertribüne ist überdacht, unsere Spielenden werden aber allenfalls im Regen stehen müssen. Um sich daran zu gewöhnen, finden unsere Proben immer und bei jeder Witterung draussen auf unserem Spielgelände statt. Ein bisschen Regen macht uns daher nichts aus. Was dabei bei einer Vorstellung aber leider sehr aufwändig ist, ist die um die 100 Kostüme bis zum nächsten Tag wieder trocken zu bekommen. Darum hoffen wir trotz Abhärtung doch lieber auf schönes Wetter im September…

Und gibt es ein Highlight, welches Sie besonders stolz macht und mit Freude erfüllt?

Simon Büchel: Ich selber bin jetzt bereits zum vierten Mal in der Funktion als OK-Präsident dabei. Es ist jedes Mal jedoch wieder aufs Neue ein faszinierendes Erlebnis, wenn alle Zahnräder ineinandergreifen und alle Bereiche und Ressorts ihr Bestes geben, um ein unvergessliches Spektakel zu bieten. Hervorheben dürfen wir sicher, dass wir dieses Jahr noch mehr in den Erlebnisgehalt investieren und schon beim Eintreffen auf das Gelände das Stück und die Atmosphäre aus dem 19. Jahrhundert mitinszeniert wird.

Simona Specker: Ich freue mich schon sehr darauf, das Ganze am Schluss als Gesamtwerk zu sehen. In meiner Funktion als künstlerische Leitung fing alles vor etwas mehr als zwei Jahren mit ein paar Ideen und Bildern in meinem Kopf an. Dass nun hunderte Leute daran arbeiten, damit diese Ideen und Bilder Wirklichkeit werden können, ist überwältigend – und manchmal auch etwas beängstigend. Inzwischen bin ich mir aber sicher, dass das alles «verhebt» und unser Publikum packende, eindrucksvolle und unvergessliche Abende bei uns erleben kann.