«Ein letztes Mal fühlt es sich an wie eine Zeitreise»

Will man über Marlis Aebis Wirken bei der Freilichtbühne Rüthi berichten, weiss man fast nicht, wo anfangen. Sie ist einerseits Frau der ersten Stunde und hat bereits vor 29 Jahren in der Aufführung «Die schwarze Spinne» mitgespielt. Andererseits ist sie seither überall auch dort zur Stelle, wo Hilfe gebraucht wird.

Aktuell ist es neben ihrer Rolle als Urgrossmutter Jonatha Kühnis im Stück «Der kopflose Reiter» auch der Znünidienst für die Bauleute, den sie mit ihrem Mann Peter übernommen hat. Dreimal pro Woche bringen die beiden den Handwerkern auf dem Festspielgelände Werben in der Nähe der Burgruine Blatten eine morgendliche Stärkung, die sehr willkommen ist. «Früher arbeitete ich selbst noch auf dem Bau mit. Ich half beim Brettertransport, reichte den Zimmerleuten die Holzziegel für die Dächer oder malte die Fassaden der Kulisse – viiiiele Stunden lang waren wir am Werk, bis alles perfekt aussah», erinnert sich die 75-Jährige aus Lienz.

Schöner Zusammenhalt untereinander

Bereits bei den ersten Vorbereitungen der aufwendigen Inszenierungen mitzuwirken, habe ihr immer gut gefallen.

«Es ist eine ganz eigene Welt, in die man bei solchen Freilichtdarbietungen eintaucht. Es fühlt sich immer an wie eine Zeitreise,»

sagt Marlis Aebi. Denn man sei mit vollem Einsatz an den Proben und den Aufführungen dabei und lebe dadurch quasi während Monaten in einer anderen Epoche. Ausserdem habe sich unter den Mitwirkenden in all den Jahren ein sehr schöner Zusammenhalt entwickelt, den sie sehr schätze.

Während Marlis Aebi erzählt, blättert sie in ihrem dicken Ordner. In diesem hat sie alles über die Freilichtspiele gesammelt und dokumentiert. Neben den eingeklebten Zeitungsartikeln und Fotos sind handgeschriebene Bemerkungen und Notizen angebracht. So bleibt alles präsent. Sie weiss noch genau, was, wann, wo passiert ist und wer wen gespielt hat. Sie selbst war Bauernfrau, edle Dame, Hebamme, Zorn, Annagret, Soldat oder Schmugglerin.

Und besondere Freude hatte sie an ihrer «Herzensrolle», der Grossmutter, im Stück «Die Schwabenkinder». Zusammen mit der treuen weissen Ziege Florina waren die beiden ein liebenswürdiges Gespann und zugleich Blickfang fürs Publikum.

Im «kopflosen Reiter», der am 8. September Premiere feiert, wirkt Marlis Aebi, wie schon erwähnt, als Urgrossmutter Jona­tha Kühnis mit. Sie sagt:

«Es ist eine kleine Rolle und gleichzeitig meine letzte.»

Vielleicht werde sie am Schluss etwas wehmütig sein. Aber sie spüre, dass es jetzt an der Zeit sei, einen Schlussstrich zu ziehen. Sie merke nach langen Theatertagen ihr Alter und freue sich ausserdem auf mehr Freizeit während der Sommermonate. Ein kompletter Abschied sei es indes nicht, denn ihre Tochter Sandra und die Enkelin Lina haben ebenfalls die Freude am Theaterspielen entdeckt und machen bei den Inszenierungen mit. Für fami­liäre Nachfolge ist also gesorgt.