Erlebnisbericht von Dario Cantieni, Darsteller
«Nicht drücken, einfach nicht drücken» – diese Gedanken gingen mir in jeder Pause des «kopflosen Reiters» durch den Kopf. Den Knopf behalten und einfach den Kopf an meinem Stab nicht drücken. Nein, andersrum.
Sehen Sie, ich werde schon wieder nervös, wenn ich an diese Zeit zurückdenke. Denn zu der natürlichen Nervosität vor meinem Auftritt kam eben dieser Knopf dazu. Installiert an einem Holzstab, der in einem weit aufgerissenen Monstermund gipfelte. Fauchend, zischend. Und aus ebenjenem Stab sollte dann auf der Bühne Funken und Feuer raussprühen. Aber eben erst auf der Bühne, nicht schon hinter der Holzwand, wo ich auf meinen Auftritt wartete und dachte: «nicht drücken, einfach nicht drücken».
Dann, einige Momente später trat ich tänzelnd und überschwänglich ins Licht und verkündete:
«Wohni au hiigang, me nennt mi: SEMMARIN, DE GRENZELOSI!»
*BAM* – endlich konnte ich den Knopf drücken. Und hoffen, dass da auch wirklich Funken und Feuer sprühten. Es funkte und feuerte jedes Mal – und so wurden die Leute bereits von Anfang an von meiner Rolle geblendet. Denn dies war schliesslich das Ziel. Semmarin, der fahrende Händler, der nutzlosen Ramsch als überlebensnotwendiges Muss anpries und verscherbelte. «Eine Salbe, die vor dem Bösen schützt? Voilà, Madame!» Dass sie fürchterlich stinkte (die Salbe, nicht die Madame) war nur teils gespielt. Denn nach etlichen Aufführungen hatte man von der braun eingefärbte Gesichts-Creme, die in die Gläser gefüllt war, auch ziemlich die … nun ja, Nase voll.
Wie froh war ich da, dass ich in der nächsten Szene mit Kurzschwert die Qualität des silbernen Halsschutzes («die neuscht Innovation ufm Gebiet vu de Enthauptungsverhinderig») an meinem Assistenten testen konnte. Dazu gesten- und wortreich Märchen erzählen, die die braven Bürgerinnen und Bürger dazu verleitete, kräftig von unserem Warenangebot gebrauch zu machen. Eine Traumrolle.
Dass mir praktisch alle Leute, die mich mehr als fünf Minuten kennen, sagten, die Rolle würde perfekt zu mir passen, freute im ersten Moment sehr. Und nachher noch fast mehr. Mit viel Show und Dramatik über die Bühne zu huschen, das war eine wunderschöne Erfahrung. Genau wie vor dem Auftritt das gemeinsame Nachtessen, die vielen schönen Begegnungen mit Menschen aus allen Lebenswelten und die Freude und Leidenschaft am Theater, die einem aus jedem Gesicht entgegenstrahlte. Es mag nach viel Pathos klingen, aber es war wirklich eine Zeit, die direkt ins Herz ging. Das dürfen Sie mir glauben. Oder nein – besser Sie kaufen es mir ab. Macht nur zwei Goldstücke.
